Vermutlich weckt Ostfriesland bei dir viele Assoziationen. Aber als Burgendland hattest du es vermutlich bis dato nicht im Kopf. Ganz zu Unrecht, denn die Region ist reich an mittelalterlichen Verteidigungsanlagen, die fotografisch alle ihren Reiz haben. In diesem Artikel zeige ich dir meine Favoriten.
Ein wenig Hintergrundwissen vorweg
Meine Herzensheimat Ostfriesland liegt im Nordwesten Deutschlands. Die zahlreichen Burgen und Schlösser, die einst das Land beherrschten, erzählen Geschichten von Macht und Reichtum, aber auch von Konflikten und Zerstörung. Denn die Region hat während des Mittelalters eine recht eigenwillige Entwicklung durchlaufen.
Während im Rest Deutschlands Adelige den Lauf der Dinge prägten, waren die Ostfriesen grundsätzlich alle gleich. Einige wurden im Laufe der Zeiten aber gleicher als gleich und bildeten als Häuptlinge eine Art Oberschicht. Und weil reiche Menschen oft Angst haben, ihren Besitz zu verlieren oder noch mehr wollen, begannen diese Häuptlinge irgendwann, sich in feste Verteidigungsanlagen zurückzuziehen. Wie die Bezeichnung Steinhaus vermuten lässt, waren diese oft nicht sehr groß. Aber es gab unglaublich viele von ihnen. In manchen Dörfern standen gleich mehrere Steinhäuser, von denen einige später zu größeren Anlagen und schließlich zu Schlössern ausgebaut wurden.
Auch wenn viele dieser historischen Bauwerke im Laufe der Jahrhunderte zerstört wurden, prägen sie nach wie vor das Landschaftsbild und bieten Fotografen eine Fülle an reizvollen Motiven.
Überblickskarte mit allen Spots
Vergängliche Zeugen der Vergangenheit: Die Beningaburg in Grimersum und die Fockenburg in Leer
Zu Beginn unseres Rundgangs durch das Burgenland Ostfriesland möchte ich die Reste der Beningaburg in Grimmersum und die Ausgrabungen an der Fockenburg in Leer vorstellen. Beide Orte sind für mich eindrucksvolle Beispiele für die Vergänglichkeit menschlicher Bauwerke. Für einen kurzen Moment waren beide wieder sichtbar: Bei der Fockenburg war der Standort lange unbekannt, obwohl sie Sitz eines der bedeutendsten ostfriesischen Häuptlinge waren. Ihre Reste traten eher zufällig zutage, als in Leer ein Parkhaus errichtet werden sollte.
Die Beningaburg in Grimersum hätte es hingegen fast bis in die heutige Zeit geschafft. Sie wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgerissen. Im Jahre 2002 wurde die Burganlage im Zuge der Dorfsanierung 2002 freigelegt und teilweise begehbar gemacht. Geplant war, die Mauerstümpfe der Gebäude, die ehedem zehn Meter breiten Gräben der Viereckanlage sowie die Brücke und die Gärten wieder sichtbar zu machen. Im Jahre 2016 beschlossen die Gemeinde Krummhörn und die Ostfriesische Landschaft, nur noch einen Teil der bereits restaurierten Burgmauern sichtbar zu lassen. Die restlichen Mauern sollen verfüllt werden. Auch der alte Burggraben sollte wieder neu entstehen. Im Februar 2019 wurde die gesamte Anlage mit Erde verfüllt. Für die weitere Untersuchung der Anlage fehlt eine Finanzierung.
Beide stehen für mich sinnbildlich für viele leider verschwundene Anlagen. Doch kommen wir zu dem, was heute noch zu sehen ist.
Die Steinhäuser in Bunderhee und Greetsiel
Das Steinhaus in Bunderhee und das Steinhaus in Greetsiel sind zwei der ältesten erhaltenen Profanbauten in Ostfriesland. Ihre massiven Mauern und die charakteristischen Rundbogenfenster sind Zeugen einer längst vergangenen Zeit und bieten wunderschöne Fotomotive. In Bunderhee lohnt eine Besichtigung des Gebäudes, in dem eine Ausstellung zur Geschichte des Steinhauses und der ostfriesischen Häuptlinge zu sehen ist. Im Steinhaus von Greetsiel lädt die Ländliche Akademie Krummhörn-Hinte regelmäßig zur Teestunde.
Die Osterburg in Groothusen
Die Osterburg in Groothusen ist eine der schönsten erhaltenen Burgen in Ostfriesland. Auch sie entwickelte sich aus einem Steinhaus. Umgeben von einem verwilderten Park, bietet sie zahlreiche geheimnisvolle Ecken und verwunschene Statuen, die geradezu darauf warten, fotografisch entdeckt zu werden. Für Gruppen ist eine Besichtigung nach telefonischer Voranmeldung möglich.
Die Burg Hinta
Einmalig in Ostfriesland ist das schöne Ensemble aus Kirche und Burg in Hinte. Beide sind beeindruckende Beispiele mittelalterlicher Baukunst. Seit 1567 befindet sich die Burg in Besitz der Familie von Frese, die sie bis heute bewohnt. Daher kann sie nur von außen besichtigt werden. Ein Besuch lohnt trotzdem, bietet die Anlage doch faszinierende Motive für jeden Fotografen.
Die Burg Pewsum
In Pewsum erhebt sich eine weitere beeindruckende Anlage, von der leider nur die Vorburg erhalten ist. Doch auch die ist unbedingt sehenswert. Prominenteste Besitzerin war die schwedische Prinzessin Katharina von Wasa.Das in dem Gebäude untergebrachte Burgmuseum Pewsum befasst sich mit der Geschichte des Burgenbaus in Ostfriesland sowie des Groningerlandes. Ein weiterer Schwerpunkt der Dauerausstellung ist die Geschichte des Kirchenbaus in Ostfriesland sowie die Religiosität. Und wer sich traut, kann sich in der Burg auch trauen lassen. Ein Traum, nicht nur für Hochzeitsfotografen Gerade in den Tagesrandstunden ist die Burg besonders reizvoll.
Die Burg Stickhausen
Burg Stickhausen war einst eine der mächtigsten Burgen Ostfrieslands. Sie wurde um 1435 von der Hansestadt Hamburg errichtet, um ihre nach Westen führenden Handelswege zu schützen. Später kam sie in den Besitz der ostfriesichen Grafen, die sie immer weiter ausbauen ließen. Nachdem es keine Verwendung für die Anlage gab, verfiel sie immer mehr. Den heute noch erhaltenen Rundturm ließ Graf Edzard I. um 1498 erbauen. Das einstige Burgareal ist umgeben von einem idyllischen Wassergraben. Die romantische Lage bietet zahlreiche schöne Motive. Und wer magg, kann den Turm im Rahmen einer Besichtigung besteigen.
Die Norderburg und die Beningaburg in Dornum
In Dornum finden sich gleich zwei bedeutende Burgen: die Norderburg und die Beningaburg. Beide Burgen bieten eine Fülle an architektonischen Details und historischen Anknüpfungspunkten, die in faszinierenden Bildern festgehalten werden können. Während die Norderburg heute als Schule genutzt wird und ihr inneres daher nur zu bestimmten Tagen besichtigt werden kann, sucht die Beningaburg noch nach neuen Nutzungskonzepten. Besichtigungen sind scheinbar möglich. Aber auch von außen sind beide Burgen unbedingt sehenswert.
Das Schloss und die Vorburg in Lütetsburg
Das Schloss Lütetsburg und seine Vorburg sind ein weiteres Highlight auf unserer Reise durch das Burgenland Ostfriesland. Das Schloss ist nach wie vor in Privatbesitz und kann daher nur von außen besichtigt werden. Umgeben von einem weitläufigen Park gibt es hier eine inspirierende Kulisse für beeindruckende Fotografien.
Die Evenburg in Leer
Die Evenburg in Leer habe ich erst so richtig schätzen gelernt, als ich schon lange nicht mehr in der Region lebte. Sie besticht durch ihre neogotische Architektur und den wunderschönen Park. Besonders die detailreichen Fassaden und die gepflegten Gartenanlagen sind äußerst fotogen und laden zu ausgedehnten Fotospaziergängen ein. Im Hauptgebäude sind eine Dauerausstellung zum Leben und Wirtschaften einer adligen Familie im 19. Jahrhundert und das Zentrum für Gartenkultur untergebracht.
Das Auricher Schloss
Wie die Evenburg unterscheidet sich das Auricher Schloss in seinem Baustil ziemlich von den anderen Anlagen. Was daran liegt, dass es unter hannoverscher Herrschaft im Tudorstil des Historismus nahezu komplett neu aufgebaut wurde. Es ist eine der bedeutendsten Anlagen Ostfrieslands. Ursprünglich im 15. Jahrhundert als Wasserburg erbaut, erfuhr das Schloss im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Umbauten und Erweiterungen. Im 19. Jahrhundert war es nahezu komplett verfallen und wurde dann als Verwaltungsgebäude neu errichtet. Und als solches wird es weiterhin genutzt, weshalb eine Besichtigung nur von außen möglich ist. Besonders hervorzuheben sind die prächtige Schlossfassade und der weitläufige Schlosspark, in dem der ältere Marstall und das jüngere Schlösschen des Regierungspräsidenten eine malerische Kulisse für Fotografien bieten.
Die Festungen Leerort und Dieler Schanzen
Abschließen möchte ich den Rundgang mit einem Abstecher zu den Festungen Leerort und Dieler Schanzen. Von beiden ist nicht mehr viel erhalten geblieben. Dennoch sind die historischen Verteidigungsanlagen ein eindrucksvolles Beispiel für die militärische Architektur vergangener Jahrhunderte und bieten spannende Motive vor allem für Drohnenfotografen.
Burgenland Ostfriesland? Auf ein letztes Wort
Auch ich habe Ostfriesland lange nicht als Burgenland wahrgenommen. Klar, einige kannte ich schon. Doch es waren nur wenige. Das änderte sich erst, als ich im Rahmen meiner Recherchen zu dem Wikipedia-Artikel „Geschichte des Burgenbaus in Ostfriesland“ auf immer mehr Anlagen stieß. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Ostfriesland ein wahres Paradies für Geschichtsinteressierte und Fotografen ist. Die zahlreichen Burgen und Schlösser erzählen Geschichten von Macht und Pracht und bieten eine Fülle an faszinierenden Fotomotiven. Jede Burg hat ihren eigenen Charakter und ihre eigene Geschichte, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Ob verwunschene Parks, majestätische Türme oder gut erhaltene Wehrmauern – das Burgenland Ostfriesland bietet unzählige Möglichkeiten für beeindruckende Fotografien. Hast Du noch weitere Tipps für schöne Anlagen in der Region? Ich freue mich auf Deinen Kommentar.