Nach langen grauen Monaten wandelt sich das Schleswig-Holsteinische Hinterland im Mai in ein Farbenmeer, das vom Gelb der Rapsfelder dominiert wird. Und steht dann noch ein Baum frei im Feld, sind alle Zutaten für ein schönes Foto vorhanden. Doch die Ölpflanze hat so ihre Tücken.
Raps (Brassica napus) ist eine recht anspruchsvolle Kulturpflanze, die in einem mehrjährigen Rhythmus angebaut wird, um sie vor Pilzbefall und Schädlingen zu schützen. Wo im vergangenen Jahr noch ein hübsches Motiv zu sehen war, ist damit in diesem Jahr garantiert kein Raps zu finden.
Die Suche nach einem geeigneten Feld beginnt daher immer wieder neu. Gut, wenn man vernetzt ist. In meinen beiden liebsten Regionen – Schleswig-Holstein und Ostfriesland – bin ich Mitglied mehrerer Fotogruppen in sozialen Netzwerken. Auch, wenn ich mich auf eine Reise begebe, schaue ich gerne, welche Zusammenschlüsse es in meinem Urlaubsziel gibt und wer dort sehr aktiv ist. So habe ich schon oft wertvolle Tipps und Hinweise zu lohnenden Fotospots erhalten.
Auf die vielen Gemeinsamkeiten von Anglern und Fotografen habe ich ja bereits hingewiesen. Hier kommt eine weitere: So wie die Fischer ihre besten Fangplätze nur einem ausgewählten Publikum weitergeben, teilen auch Fotografen ihr Wissen über die schönsten Fotolocations nur mit Menschen, denen sie vertrauen.
Bei sehr empfindlichen Plätzen begrüße ich das ausdrücklich, denn viele Hobbyfotografen und -models hinterlassen leider Spuren. Viel zu oft sind Raps- oder Mohnfelder von ihnen für mehr oder weniger gelungene Selfies zertrampelt wurden. Für die betroffenen Landwirte, die dadurch einen konkreten wirtschaftlichen Schaden haben, ist das mehr als ärgerlich. Außerdem kann es teuer werden: Auch wenn es ein Betretungsrecht der freien Landschaft gibt, sind Felder, Wiesen und Weiden tabu, solange sie in einer Nutzung sind. Wer dagegen verstößt, muss mit Strafen in Höhe von bis zu mehreren tausend Euro rechnen. Dazu können noch Schadenersatzansprüche des Landwirts kommen.
Abgesehen von diesen rechtlichen Punkten ist es für mich ist es einfach eine Frage des Respekts sowohl dem Landwirt als auch anderen Fotografen und Naturliebhabern gegenüber, sehr vorsichtig zu agieren. Fragen kostet nichts und mit Erlaubnis des Eigentümers ist das Fotografieren definitiv entspannter.
Aber auch wenn es oft verlockend sein mag, in das Feld zu gehen, oder es auf direktem Wege zu durchqueren, ist dies meist gar nicht nötig. Wer sich die Zeit nimmt, einmal um den Acker herumzugehen, findet dort viele lohnende Motive, die noch nicht von zehntausend anderen Menschen abgelichtet wurden. Wer es eilig hat, kopiert andere. Mit Fotografie hat das aber mMn nichts zu tun. Doch zurück zum eigentlichen Motiv und seinen Herausforderungen.
Mit seinen sanften Hügeln und dem weiten Horizont eignet sich Schleswig-Holstein perfekt für die Rapsfotografie. Die Ölpflanze erstrahlt vor allem in den Tagesrandzeiten in sattem Gelb.
Und doch ist nicht alles Gold, was glänzt. Wer einfach nur draufhält, wird von den Ergebnissen eher enttäuscht sein. Ein Rapsfeld vor blauem Himmel erinnert zwar stark an die ukrainische Flagge, ist aber als Motiv oft zu wenig. Wer fotografisch sehen kann, sucht daher immer nach einem Blickfang für die Augen des Betrachters. Das sollte ein Element sein, dass aus dem ansonsten recht aufgeräumten Bild heraussticht. Ein richtig positionierter Baum oder Stein und markante Wolkenformationen eignen sich dafür hervorragend. All das liefert Schleswig-Holstein im Überfluss. Man muss nur mit offenen Augen durch die Gegend ziehen. Jedes Jahrs aufs Neue.
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