Der Pilsumer Leuchtturm, jenes ikonischen, gelb-rot gestreifte Bauwerk, das auch als Otto-Leuchtturm bekannt ist, steht wohl in jedem Ostfriesland-Reiseführer. Gerade deshalb habe ich ihn lange gemieden. Als ein touristischer Hotspot war er mir zu belebt, zu überlaufen. Doch manchmal ändere ich meine Meinung gerne. So auch hier. Inzwischen ist der Turm einer meiner liebsten Fotospots in Ostfriesland. Vor allem, seit ich einen Weg gefunden habe, ihn für mich alleine zu haben.
Es mag abgedroschen klingen, aber die alten Fotoweisheiten funktionieren immer noch erstaunlich gut. Schon in Venedig habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, in aller Frühe loszuziehen. Lange, bevor die Touristenmassen eintrafen, strich ich alleine durch die Stadt. Eines Tages wagte ich es, meine Vorurteile beiseitezulegen, um auch der alten Ringelsocke in Pilsum eine Chance zu geben. Dabei habe ich mich schockverliebt.
Was ich zunächst als eintöniges Motiv abtat, zeigte bei genauerem Hinsehen eine Fülle von fotografischen Möglichkeiten. Der Pilsumer Leuchtturm präsentiert sich bei Sonnenauf- und Untergang in einem ganz anderen Licht. Die gelb-roten Streifen spielen mit den warmen Farben des Himmels, während der Turm bei Vollmond eine geheimnisvolle Aura annimmt. In klaren Nächten tauchen unzählige Sterne den Leuchtturm in ein wahrhaft magisches Licht.
Das Highlight war die Erkenntnis, dass die Nacht am Pilsumer Leuchtturm quasi ganz mir gehörte. Die Tagestouristen waren längst verschwunden, und ich konnte die Stille der Umgebung in vollen Zügen genießen. Dort alleine unter dem weiten Bogen der Milchstraße zu stehen, ist unglaublich erhebend. Schon, als ich die Kamera aufstellte, wusste ich, dass ich hier ein ganz besonderes Bild aufnehmen werde. Ich wurde nicht enttäuscht. Bei einem meiner nächsten Besuche stand der Vollmond hinter dem Turm. Gut, dass ich eine längere Brennweite dabei hatte und den Mond so in seiner ganzen Pracht hinter dem Turm aufnehmen konnte.
Ich bin seither regelmäßig dort. Nicht immer bin ich dabei ganz alleine. Manchmal nehme ich jemanden mit oder treffe vor Ort auf andere Fotografen, die sich wie ich aus dem Bett gequält haben. Das ist den meisten Menschen (vor allem im Urlaub) Gott sei Dank viel zu anstrengend.
Ich muss zugeben, dass auch ich nicht unbedingt zu den Frühaufstehern gehöre, es aber nie bereut habe, ganz früh am Tag oder spätnachts loszuziehen. Ich bin (fast) immer mit schönen Motiven und manchmal auch mit neuen Erkenntnissen belohnt worden. So auch hier: Habe ich den Turm früher gemieden, ist er heute ein fester Anlaufpunkt in meiner alten Heimat Ostfriesland. Manchmal lohnt es sich eben, den scheinbar überlaufenden Pfaden zu folgen, um die verborgene Schönheit zu entdecken.
Aber, um ehrlich zu sein: Manchmal bin ich seither sogar tagsüber dort. Aber eher im Winter oder bei vermeintlich schlechtem Wetter. Mit etwas Glück bricht dann die Sonne kurz durch die Wolken und taucht den Turm in ein magisches Licht.
Pingback:Ostfriesland bei Nacht: Fotografische Entdeckungen in der Dunkelheit